Die vorislamische Zeit (Das Werden einer Zivilisation)

Dass Zentralasien bereits in der Altsteinzeit besiedelt war, belegen beispielsweise die Funde von Teschik Tasch im Tal des Surchan Darja, wo im Jahr 1938 außer Steinwerkzeug und Tierknochen auch das Skelett eines 8 oder 9 Jahre alten Knaben eines Neandertalers – gefunden wurde. 12 000 Jahre alte Siedlungsraume wurden im Karatau-Gebirge entdeckt und über 200 Felszeichnungen in Ocker aus derselben Zeitperiode im Süden Tadschikistans.

Der eigentliche Beginn von Ackerbau und Viehzucht fallt in Zentralasien augenscheinlich in die mittlere Steinzeit (6. Jh. v. Chr.). Dieser Schritt vom Sammler und Jäger zum Bauern, der Getreide anpflanzt und Tiere zähmt, stellte auch in der Entwicklung Zentralasiens einen Wendepunkt dar. In Dscheitun bei Aschgabat konnte z. B. ein ganzes Dorf ausgegraben und der Anbau einer wenn auch primitiven Weizensorte nachgewiesen werden. Die an mehreren Stellen der Siedlung besonders zahlreich vorgefundenen Gegenstande wie Werkzeuge oder Töpferwaren lassen vermuten, dass deren Herstellung – gleichsam im Zuge einer Arbeitsteilung – von besonders befähigten Handwerkern übernommen wurde.

Die in Sudturkmenistan (Altin Tepe, Kara Tepe) gefundenen Gefäße – eine helle, mit geometrischen Mustern, nicht selten aber auch mit Darstellungen von wilden Tieren und Vogeln bemalte monochrome Keramik – lassen vermuten, dass die Menschen der Jungsteinzeit bei einer geplanten Arbeitsteilung auch schon «in Serie» zu produzieren verstanden. Diese fortschrittliche Wirtschaftsorganisation muss für die Gesellschaft weitreichende Folgen gehabt haben: Tauschhandel, ungleiche Verteilung der Güter, Entwicklung von Privateigentum. soziale Differenzierungen, Entstehung einer städtischen Zivilisation, wachsende kulturelle Beziehungen zu Nachbargebieten, Anstieg der Bevölkerungszahl, Wanderungsbewegungen.

Für die auch unter dem Namen Andronowo bekannte Kultur der Bronzezeit bildet Dschar Kurgan (knapp 40 km nördlich von Termes) – im Gebiet des Surchan Darja-Tals – ein herausragendes Beispiel. Die vor mehr als 3500 Jahren gegründete, etwa 100 ha Große Siedlung, bestand aus einer Zitadelle und der eigentlichen Wohnstadt (Scharestan) mit «Mehrfamilienwohnhäusern» und Garten. Ausgegraben wurden hier aber auch ein Tempel mit einem Feuer «Altar» sowie Raume für Opfergaben, für das «heilige» Wasser und für «Devotionalien» (Kultgegenstande). Warum diese hochstehende Kultur jenseits des Oxus noch im ersten vorchristlichen (ahrtausend untergegangen ist, konnte bislang nicht geklärt werden.

Die archäologischen Arbeiten, auf denen der heutige Kenntnisstand beruht, können selbstverständlich nicht als abgeschlossen angesehen werden, im Gegenteil: Ständig neue Funde ergänzen das vorhandene Material und Wissen und ermöglichen es, Annahmen zu untermauern oder zu korrigieren, vielleicht aber auch Lücken zu erfassen und auszufüllen.