Die Moschee

«Wo die Gebetsstunde dich erreicht, sollst du das Gebet verrichten und das ist ein Masdschid, sagt der Koran». Grundsätzlich wäre also für die Verrichtung der täglichen Gebete kein eigenes Gebäude erforderlich gewesen, denn überall dort, wo man betet, ist ein masdschid-ein Ort, wo man sich (vor Gott) niederwirft. Um aber in der Gemeinschaft der Gläubigen Gott anbeten zu können, bedurfte es eines vorgezeichneten Raumes mit einer bestimmten Ausrichtung und Abgrenzung, in dem die Einheit im Glauben auch nach außen hin sichtbar werden konnte.

Die erste Moschee stand in Medina und war das Haus Mohammeds, ein offener, von einer Lehmziegelmauer umschlossener Hof, an den sich verschiedene Kammern (Wohnhütten) anschlossen. An der Südseite des Hofs befand sich eine Galerie aus Palmenstämmen, die zum Schutz vor der Sonne mit Palmenblättern und einer Lehmschicht gedeckt war. Damit war das Urbild der Moschee, die sogenannte Hofmoschee, geschaffen. In einer weiteren Stufe der Entwicklung wurde auch an der Nordseite ein schattenspendendes Dach auf Säulen errichtet, als Bleibe für die Ärmsten der Gemeinde. Auch später, lange nach Mohammeds Tod, als sich bereits eine eigene Architektur im Moscheebau herausgebildet hatte, war es nicht selten, dass eine Moschee mehrere Funktionen gleichzeitig zu erfüllen hatte: Betsaal und öffentlicher Versammlungsort, Herberge, Unterrichtsstatte, Gerichtssaal und Ruhestatte für einen Toten (beispielsweise Schah-e Sende). Allmählich – und sicher auch in Abhängigkeit von den klimatischen Gegebenheiten – änderte sich die äußere Form der ersten Moschee Mohammeds. Die um den Innenhof angeordneten Säulenreihen wurden zu Arkaden (Buchara, Moschee Kalan), und innerhalb des Hofes erhob sich eine Kuppel förmiger Bau (Samarkand, Moschee Bibi Hanim). Schließlich stellte die Moschee nur noch ein in sich geschlossenes Bauwerk dar.

Neben den verhältnismäßig kleinen Bethäusern entstanden bereits im 10. Jh. auch größere Anlagen, in denen das vorgeschriebene feierliche Freitagsgebet (cliutba)  verrichtet werden sollte: die Haupt- oder auch Dschuma-Moschee (Freitagsmoschee). Abschließend sei noch ein weiterer Typus der Moschee, der als musalla  (pers. namasgah)  bezeichnete «Ort zum Beten» erwähnt, ein lediglich durch eine niedrige Mauer oder einen Graben abgegrenzter Bezirk, der sich meistens vor den Toren der Stadt befand und nur in den Sommermonaten oder zu besonderen Anlässen für das gemeinschaftliche Gebet benutzt wurde (siehe in Buchara die Namasgah-Moschee).

Nach Otto-Dorn ist »die zweigliedrige, aus Hof und Betsaal bestehende Breitanlage, die kein Richtungsbau ist, sondern in ihren scheinbar unbegrenzt fortlaufenden Stützenreihen. dem Wald aus Säulen oder Pfeilern, einer Fälle von Betcrscharen Raum gibt, der eigentliche arabische Beitrag im Kunstschaffen der arabischen Welt«. Die für eine Moschee im Allgemeinen typischen Kennzeichen- wie Gebetsnische, Kanzel oder auch das Minarett – waren in den ersten Moscheeanlagen jedoch noch unbekannt. Aber bereits unter den Omaijaden und später auch unter den Timuriden und Osmanen wurden sie zu einem wesentlichen Bestandteil islamischer Architektur.

»Wer eine Moschee baut, dem baut Gott ein Haus im Paradies.« Diesen Vers aus dem Hadith hatten vermutlich die islamischen Statthalter und Emire vor Augen, die im Lauf der Jahrhunderte in ganz Zentralasien eine Unzahl von Moscheen – die erste in Buchara Anfang des 8. Jh. – errichten ließen. Denn noch zu Bcginn des 20. Jh. soll es im Generalgouvernement Turkestan 13 144 Moscheen (darunter 1200 Dschuma- bzw. Namasgah-Moscheen, in denen bis zu

15 000 Glaubige Platz fanden) gegeben haben, d. h. aber, dass jeweils 700 Einwohnern eine eigene Gebetsstattc zur Verfügung stand. Zu den besonders hervorzuhebenden Zentren des Moscheebaus gehörten die Städte Buchara mit 364 Moscheen, Namangan (331), Taschkent (255), Kokand (248), Chodschand (198), Samarkand (105), Turkestan (41) und Chiwa (20).

Anfangs hatte Mohammed für seine Gläubigen keine bestimmte Gebetsrichtung (kibla)  festgelegt. Dann, nach seiner Flucht aus Mekka, war es die Richtung nach Jerusalem und schließlich nach Mekka. »Wende dein Angesicht nach der Richtung der heiligen Moschee …« (Sure 2.139) Es ist die Richtung, die jeder Muslim einhält, wenn er sich niederwirft, um seine Gebete (salat)  allein oder in der Gemeinschaft der Gläubigen (umma)  zu verrichten.

In seiner einfachsten Form stellt der Mihrab (die Stelle. wo die Lanze eingestoßen wird) eine halbrunde Nische mit einem Halbkuppelgewölbe dar. Über die Bedeutung dieses wohl wichtigsten Bestandteils einer Moschee, der gewissermaßen das Allerheiligste darstellt, gibt es verschiedene Hypothesen und zahlreiche Veröffentlichungen. Es ist jedoch naheliegend, dass der Mihrab als «Pforte des Himmels», als Hinweis auf die Ewigkeit. d. h. auf Gott selbst, zu verstehen ist, wo der Gläubige mit seinem geistigen Auge Allah wahrzunehmen vermag.

Unmittelbar rechts neben dem Mihrab befindet sich ein erhöhter, allen sichtbarer Platz, der Minbar, eine Kanzel für das geistliche und politische Oberhaupt der Glaubensgemeinschaft. Bereits Mohammed verwendete in seiner Moschee eine Kanzel, um von der Menge besser gehört und gesehen zu werden. Von hier aus verkündete er das neue Gesetz, predigte und sprach Recht. Später waren es Kalifen, Statthalter oder Imame, die vom Minbar aus das feierliche Freitagsgebet verrichteten und in ihrer Eigenschaft als religiöses Oberhaupt. Lehrer und Richter ihre Stimme erhoben. Wenn der Minbar anfangs nur ein erhöhter Stuhl, ein hölzernes Treppenpodest, war, so wandelte er sich später zu einem Stuck ortsgebundener Steinarchitektur mit reich verzierten Seitenwangen, einer Tür am Anfang der Treppe und einem Baldachin über der Plattform.

Die für die rituellen Waschungen erforderlichen Waschraume oder aber auch ein offenes Wasserbecken oder ein Brunnen – befinden sich in unmittelbarer Nachbarschaft oder im Innenhof einer Moschee. Für die gläubigen Muslime erweist sich dieser Ort als eine willkommene Statte der Begegnung und der Sammlung.

Die ersten Minarette entstanden erst während der Omaijaden-Zeit. Ihre Vorbilder sind vermutlich im christlich-syrischen oder buddhistischen Kulturkreis zu suchen. Das Minarett (menar-Ort, wo Feuer (Licht) brennt), von dessen Galerie der Muezzin fünfmal am Tag seine Stimme erschallen ließ, wurde sehr bald zu einem wesentlichen Bestandteil einer jeden größeren Moschee. Der Grundriss eines Minaretts war in Zentralasien – im Gegensatz zum arabischen Raum – meistens abgerundet (oft auch ausgebuchtet), und der hochstrebende, elegante Schaft verjüngte sich nach oben hin (Turan-Typ), um dicht unterhalb seines Abschlusses schließlich ein wenig  vorzukragen (Buchara, Minarett Kalan). Hinsichtlich der Verzierung der Minarette unterscheidet man drei Arten: Minarette, die abwechselnd breite und schmale Ornamentstreifen oder auch Bänder aufweisen; solche, deren Ornamente durch Kreise und Inschriftenfriese gebildet werden, und schließlich den Typus, dessen Mantel aus senkrecht verlaufenden Rippen (Kanneluren) besteht. Besonders deutlich wird der dekorative Charakter eines Minaretts, wenn es in eine Moschee, Medrese oder in ein Mausoleum integriert wird, wobei seine Funktion – Ort des Gebetsrufers zu sein – vollig in den Hintergrund tritt (Samarkand, Registan; Buchara, Medrese Tschar Menar).