Baukeramik

Die Verarbeitung von Ton zu Gebrauchskeramik – Gefäßen und Figuren (Terrakotta) – beruht in Zentralasien auf einer jahrtausendealten Tradition und kann bereits für die Steinzeit nachgewiesen werden. Ihren eigentlichen Siegeszug sollte die Keramik jedoch erst mit dem Islam antreten, weil unter den veränderten Bedingungen seit der Araber-Invasion – ein stetig wachsender Wohlstand, weitreichende Handelsbeziehungen, Import von byzantinischen und vorderasiatischen Glasurwaren und deren Imitation, Anforderungen der neuen Religion – die Nachfrage nach keramischen Produkten beachtlich zugenommen hatte. Neben den Städten Merw und Nisa, in denen es zahlreiche Keramikwerkstatten und Schulen gab, die für ihre hervorragende Technik berühmt waren, gehörten vor allem Samarkand und Taschkent bald zu den bedeutendsten Keramikzentren Zentralasiens.

Die Fassade eines Bauwerks, die, teils aus praktischen Erwägungen, meist schmucklos und nüchtern gestaltet war, blieb auch in der Frühzeit des Islam – im Gegensatz zum Abendland – ausdruckslos und unbetont, verlangte doch die heilige Tradition, dass ein religiöses Gebäude mehr nach innen orientiert sein müsse. Gleichsam wie in einem Großen Museum lasst sich die Entwicklung im Fassadenbau von der ungegliederten Ziegelmauer bis zur fantasievollen Dekoration in verschiedenen Städten Zentralasiens hervorragend studieren, etwa in Merw, Buchara, Usgen, Samarkand.

Auch wenn die Anforderungen an die Technik der omamentalen Fassadengestaltung in der Frühzeit des Islam noch verhältnismäßig anspruchslos waren, entstanden bereits im 10.Jh. Bauwerke von größter Ausstrahlung, und das, obwohl man die an sich monoton wirkenden Backsteinmauern noch nicht verkleidet hatte. Allein durch die Große und Anordnung der in den Naturfarben belassenen Ziegel wurde die Eintönigkeit durchbrochen und die Mauer optisch entlastet; ein Effekt, der durch das unterschiedlich einfallende Sonnenlicht zusätzlich verstärkt wurde. Dieses Verfahren, einem monumentalen Bauwerk allein auf optischem Weg seine Schwere zu nehmen, sollte schließlich zu einem wesentlichen Charakteristikum der islamischen Baukunst werden (Buchara: Mausoleum der Samaniden).

Ein anderes, ebenfalls sehr früh angewandtes Verfahren, eine Fassade zu beleben, bestand darin, die schmucklose Oberflache ganz oder auch nur teilweise mit Terrakottaplatten zu verkleiden. Diese Technik gestattete es bereits, komplizierte Muster als Dekor zu verwenden, wobei man die Ornamente entweder auf den rohen Ton auftrug oder sie einschnitt – geschnittene Terrakotta (z. B. Buchara: Moschce Maghak-e Attari oder auch Samarkand: Schah-e Sende, Mausoleum Hodscha Ahmad).

Erst im 12. Jh. wurde die wohlstrukturierte. aber noch naturfarben belassene Fassade durch einige wenige Farbtupfer, monochrome keramische Fliesen, aufgelockert, um dann unter den Timuriden zu einer einzigartigen Polychromie (bis zu sieben Farben in einer Darstellung) aufzublühen. Es waren die timuridischen Künstler des 14./15. Jh. die der Glasur ihre besondere Aufmerksamkeit widmeten. Sie ersetzten die bislang übliche (vormongolische) Bleiglasur, die schnell oxidierte, durch eine dauerhafte Versiegelung, die aus den Oxiden verschiedener Metalle gewonnen wurde und den Fliesen erst den richtigen Glanz und die Glatte sowie Härte und damit auch Beständigkeit verlieh. Eisenoxide ergaben – je nach Art des Brennens – gelbe, rote, braune oder schwarze und graue Farben, Kupferoxide grüne und blaue, Chromoxid dunkelgrüne, Kobaltsalze blaue Farben usf., wobei man für jede Farbe die optimale Brenntemperatur ermittelte.

Die Herstellung dieser Farbakzente hauptsachlich dunkelkobaltblau bis türkisblau – erfolgte in der Weise, dass die einzelnen, nach dem ersten Glühbrand noch saugfähigen Tonscherben in die flüssige Glasur getaucht und dann im Feuer verglast wurden. Aufgrund unterschiedlich hoher Brenntemperaturen und besonderer Beimengungen ließ sich die aufgebrachte Glasur hinsichtlich Farbe und Aussehen beachtlich variieren. Und während ein dünner Film aus Zinnoxid der farbigen Glasur schließlich ein mattes Aussehen gab, konnte unter Zusatz von Pflanzenasche der Glanz noch wesentlich verstärkt werden (Lüsterkeramik).

Der Werdegang des für eine Fassadenverkleidung benötigten Dekors – vom einfachen Ziegel mit glasierten Oberflachen bis zur glanzvollen Fayenceplatte – verlief in einem stetigen Prozess. So waren die zu verarbeitenden Steine auch in der zweiten Stufe der Entwicklung noch rechteckig geschnitten, andererseits aber doch schon beachtlich kleiner. Ihre Oberflache waren vollkommen eben und glatt, und ihr Rand hatte eine scharfe Kante. Diese Buntkeramik – eingebettet in Mörtel – wurde jedoch nur noch im Verbund mit ebenfalls farbig glasierten Platten verlegt. Als Träger von oft großflächigen Ornamenten bildeten sie lange den wichtigsten Architekturdekor und wirkten durch ihre Streifen-, Flachen- und Bändermuster tatsachlich wie ein Großer, aufgespannter Teppich. Um aber auch komplizierte Muster darstellen zu können – zum Beispiel kufische Inschriften – wurde es erforderlich, auch kleinere oder unregelmäßig geformte Steine zu verwenden. Diese Technik, unzählige Elemente unterschiedlicher Form und Farbe zu kunstvollen Ornamenten zusammenzufügen, bildete eine weitere Stufe in der polychromen Kunst, deren Ursprung im 13. Jh. zu schön ist.

Eine Verfeinerung dieses an sich schon Großartigen Verfahrens führte schließlich zu den berühmten Fayencemosaiken. Die Herstellung eines Fayencemosaiks aber halt Sarre »für eine der schwierigsten und kompliziertesten Techniken, welche die Geschichte der Keramik kennt. Aus Großen einfarbig glasierten Tonplatten werden vorgeschriebene Stücke herausgeschnitten, diese sodann, eventuell zusammen mit andersfarbigen Stückchen, auf der glasierten Seite zu dem gewünschten Muster mosaikartig zusammengefügt und das Ganze nun mit Mörtel übergossen. der in die Zwischenräume zwischen den einzelnen Mosaik Stückchen eindringt – und nun das Ganze zusammenhält. Auf diese Weise gewinnt man einzelne Platten, mit denen die Wände bekleidet werden. « Ein interessantes Beispiel für diese anspruchsvolle Technik bildet das Kuppelmosaik im Mausoleum Schadi Mulk Aka in der Gräberstraße des Schah-e Sende oder auch die Moschee Bibi Hanim in Samarkand.

Eine Weiterentwicklung der bislang besprochenen Dekorationstechniken  führte schließlich zur Herstellung der eigentlichen Fayenceplatten emaillierte keramische Fliesen, deren Ornamente entweder mit einem Pinsel aufgetragen oder mit einem Stichel eingegraben waren. Beide Verfahren ermöglichten es, noch feinere und besser ausgebildete Ornamente – vornehmlich Pflanzenornamente – darzustellen. Besonders schöne Beispiele für diese dekorative Kunst linden sich in Buchara: Medrese Mir-e Arab (glatte und mit Ornamenten bemalte Fayenceplatten) und in Samarkand: Schah-e Sende. Mausoleum Schadi Mulk Aka (plastische Fayenceplatten). Ihren Ursprung dürfte diese dreidimensionale Technik in der modellierten und geschnittenen Terrakottaziegeltechnik haben, für die die Moschee Maghak-e Attari in Buchara ein hervorragendes Beispiel abgibt.

Nur am Rande sei darauf hingewiesen, dass «Fayence» (benannt nach der italienischen Stadt Faenza) die vorgebrannte, meist bemalte Tonware, deren Farben bei hohen Temperaturen (Scharffeuerfarben) zu einem glänzenden Überzug verschmelzen, grundsätzlich mit «Majolika» identisch ist, das nach der Insel Mallorca, dem Haupthandelsplatz der spanischen Fayence-Erzeugnisse, benannt wird.

Rückschauend mochte man glauben, dass diese hochentwickelten und fast schon zur Perfektion geführten Techniken eine Forderung ihrer Zeit waren, um den unermesslichen Reichtum islamischer Ornamentik zur vollen Entfaltung bringen zu können. In Farbe gefasste Bilder jedoch, figurale Szenen, wie sie in der Architektur anderer Kulturkreise bei der Errichtung sakraler Bauten vielfach verwendet wurden, sind in der islamischen Baukunst nur vereinzelt anzutreffen, hatte doch jede Bildkomposition die Aufmerksamkeit des Betrachters auf sich gezogen und die eigentliche Form – beispielsweise bei einer Moschee: hier ist der Ort, wo man sich (vor Gott) niederwirft – in den Hintergrund gestellt.