Die Seidenstraße – Quelle und Ziel neuer Religionen

Der Zoroastrismus ist eine nach ihrem Stifter benannte altiranische Religion (auch Mazdaismus, nach dem Gott des Lichts, Mazda), die schon unter den Achämeniden als Staatsreligion anerkannt war. Der um 630 v. Chr. vermutlich in Baktrien geborene Zarathustra entwickelte aufgrund von Visionen seine Lehre, nach der nur dem Gerechten der Allwissende die Pforten des Himmels offnen wird. Als heilige Offenbarung Gottes gilt das Awesta, ein bereits im 7. vorchristlichen Jahrhundert auf 12000 Blatt Pergament niedergeschriebener Kanon: Hinweise zu Ritualen, zur Liturgie sowie zur Ethik, aber auch Gebete und Loblieder auf Gottheiten.

Sowohl die turmartigen Feuertempel als auch die Vier-Iwan Anlage, beides typisch zoroastrische Kultgebäude, bildeten schon in der Baukunst der Sassaniden ein besonderes Charakteristikum, das aber auch in einer islamisch gepragtcn Architektur Vorbildfunktion übernehmen sollte.

 

Buddhismus

 

Der Buddhismus, der seinen Namen von seinem Begründer Siddharta Gautama Buddha («der Erleuchtete», nach neueren Darstellungen bereits häufig zw. 450 und 370 v. Chr.) ableitet, gehört als Weltreligion zu den indischen Religionen. In seinen Visionen erkannte Buddha, dass die Menschen jeweils das Leben führen müssen, das – gemäß dem Gesetz der Vergeltung – ihrem Denken und Handeln im vorangegangenen Leben entspricht. Jeder aber habe die Freiheit, sich zwischen Gut und Bose zu entscheiden.

In Zentralasien setzte sich der Buddhismus erst unter den Kuschan durch. Zuerst waren es die Gebiete im Süden des heutigen Usbekistan – am Oberlauf des Amu Darja (Termes) – wo sich buddhistische Kunst und Kultur mit gewachsenen Traditionen vermischte, später die Oasen am Sarafschan sowie die Gebiete im Land der sieben Flüsse (Semiretschije, der Grenzbereich zwischen Kasachstan und Kirgistan).

Zu den wichtigsten, besonders charakteristischen Bauwerken des Buddhismus gehören neben den Tempeln und Klöstern die Stupas, Erinnerungsmale an Buddha, den Erleuchteten.

 

Christentum

 

Auch Christen sollten in der Geschichte Zentralasiens über einen Zeitraum von mehreren Jahrhunderten eine – wenn auch im Vergleich zu anderen Weltreligionen nur untergeordnete – Rolle spielen. Bereits im Jahr 431 hatte das dritte Konzil zu Ephesos entschieden, die der Lehre des Nestorius folgenden Christen aus der Kirche auszuschließen. Nestorius, seit 428 Patriarch von Konstantinopel, hatte seine Interpretation des Evangeliums (Zwei-Naturen-Lehre) als die einzig richtige postuliert und die Bezeichnung «Gottesgebärerin» für die Mutter Jesu abgelehnt. Für diese ketzerischen Ansichten wurde Nestorius und mit ihm seine Anhänger verbannt. Als «Abtrünnige» wanderten sie in Richtung Osten und erhielten im Sassanidenreich ihr erstes Asyl.

Dank einer umsichtigen Missionspolitik gelang es den Nestorianern, Kirchenprovinzen entlang der Großen Seidenstraße zu etablieren und in Städten wie Merw und Samarkand einen Metropoliten einzusetzen. Ihr Ende fand die Geschichte der Nestorianer in Zentralasien im 14. Jh. da unter den Timuriden nur noch die islamische Glaubenslehre als Religion geduldet wurde.

Die an verschiedenen Stellen durchgeführten Ausgrabungen bestätigen zwar eindeutig die Existenz einer christlichen Kultur in Zentralasien: Buchara, Otrar, Talas (eine Kathedrale, die unter den Samaniden in eine Moschee umgewandelt wurde), Ak Beschim (westlich von Bischkek – eine kleine kreuzförmig angelegte Kirche), aber tausend Jahre nestorianisches Christentum hatten – so mochte man erwarten – deutlichere und auffälligere Spuren hinterlassen müssen.

 

Manichaismus

 

Die von Mani im 3. Jh. gestiftete Religion ist eine typisch synkretistische Religion. Sie enthalt wesentliche Glaubenswahrheiten und Aussagen aus dem Zoroastrismus, dem Buddhismus sowie dem Christentum und konnte sich über weite Gebiete Asiens, Nordafrikas, aber auch Europas (bis nach Spanien) ausbreiten. In Zentralasien waren es die Sogden, die sich dieser neuen Religion – neben den bereits bestehenden – zuwandten und sich von Samarkand aus für ihre Verbreitung entlang ihrer Handelsrouten einsetzten.

In seiner Lehre, die ihren Niederschlag in Büchern und Briefen gefunden hat, postulierte Mani, geboren in Babylonien am 14. April 216, der einzige Sinn alles Heilsgeschehens sei, die verlorene Seele des Menschen dem Reich der Finsternis zu entreißen, sie zu erlösen.

Die Manichäer, im Westen als Häretiker verdammt, im Osten als Verkünder der neuen «Religion des Lichtes» akzeptiert, haben das Leben und die Kultur in den Anrainerstaaten der Großen Seidenstraße nicht nur durch ihren Glauben an «das Gute» geprägt, sondern sie verfolgten auch eine kluge Handelspolitik, indem sie sich aktiv am Ost-West-Handel beteiligten – ideell und materiell.