Angewandte Kunst – gewebt und geknüpft

Ein Kunstwerk besonderer Art (und einer gemalten Miniatur nicht unähnlich) stellt heute – auch im Bereich des Abendlandes – der echte Orientteppich dar. Die oft an ein Märchen aus 1001 Nacht erinnernden und nicht selten aus vielen Millionen Knoten gefertigten Meisterstücke aus Wolle und Seide haben ihren Ursprung bei den turkmenischen Nomaden in Zentralasien. Anfangs beschrankte sich ihre Teppichherstellung auf kleinere Stücke, da es zu aufwendig gewesen wäre, größere Knüpfstühle ständig auf- und abzubauen und von Weideplatz zu Weideplatz zu transportieren. Die Tatsache, dass eine angefangene Arbeit bei einem Ortswechsel unterbrochen wurde oder dass mehrere Personen an ein und demselben Stuck arbeiteten, führte nicht selten zu Unregelmäßigkeiten im tragenden Gewebe, Reihenverschiebungen, Unterschieden zwischen den Rändern oder auch zu Fehlern im Muster, was andererseits für die Echtheit der handgeknüpften Teppiche sprach.

Die Turkmenen sind es schließlich auch gewesen, die seit dem 9. Jh. wesentlich zur Verbreitung der von Generation zu Generation überlieferten Teppichknüpfkunst beigetragen haben. Und ebenso wie ein architektonisches Kunstwerk ist auch ein Teppich ein Spiegelbild seiner Zeit, denn die starken, oft durch Völkerwanderungen und Kriege bedingten Fremdeinfüsse fanden ja ihre Spiegelung auf allen Ebenen menschlichen Tuns. Mit den Seldschuken gelangte die Kunst des Teppichknüpfens bis nach Kleinasien und unter den Timuriden bis nach Indien, während die Chinesen sie vermutlich erst Ende des 15. Jh. kennengelernt haben. Mit den Kreuzrittern kamen die Teppiche nach Europa, aber erst nach dem Großen Türkenkrieg Ende des 17. Jh. begann man sich auch im Westen Europas für die ästhetischen Kunstwerke zu begeistern.

Unter den zahllosen Orientteppichen, die heute auf den Markt kommen, gewinnen die in Zentralasien hergestellten mehr und mehr an Bedeutung. Nach wie vor sind aber die Turkmenen die Hauptlieferanten der echten Buchara-Teppiche, die ihren Namen dem größten Teppich-Handelszentrum, der alten Sanianiden-Hauptstadt verdanken, wobei die ergänzenden Bezeichnungen wie Kerkiner, (Achal-)Tekke, Saryk, Ersari, Pendeh u.a. die Stamme – den Hersteller – nennen und damit gleichzeitig ein Qualitätsmerkmal darstellen. Hauptcharakteristika der Buchara-Teppiche sind die vorherrschen den Rottone, die unzähligen geometrischen Muster, Medaillons, Achteckornamente und auch Wolkenbänder und – ein besonderes  Identifikationsmerkmal – die nur aus Ziegen- oder Kamelhaar hergestellten Enden. Einst ein absolut notwendiges Attribut des turkmenischen Alltags, wurde der Teppich im Laufe der Jahrhunderte immer mehr zum Kunstwerk, das nicht nur technisches Können, sondern auch eine bestimmte geistige Einstellung erforderte, eine Kunst, die aber gerade die Turkmenen in hohem Maße gepflegt haben und bis heute der Nachwelt überliefern.

Nicht weniger interessant und eindrucksvoll ist die Textilkunst: das Weben, die Herstellung von Filz, die Stickerei, der Textildruck sowie die Produktion von Textilien aus Baumwolle und Seide in den verschiedensten und oft stark regional abhängigen Techniken. Unübersehbar und unverwechselbar sind die vornehmlich bei den Frauen so beliebten Seidenstoffe mit Abr-bandi-Mustern (abr-Wolke) in Schwarz-Weiß, Rot-Weiß bis zu vielfaltigen Kombinationen in allen Regenbogenfarben. Hergestellt werden diese auffallend schönen Stoffe durch abwechselndes Abbinden und Tauchfarben, wodurch sich dann ein verschwommenes buntes (Wolken-)Muster ergibt. Gerade in der angewandten Kunst der Textiltechnik, in der Überfülle von Ornamenten, Farben und Formen spiegelt sich eine Welt wieder, wie man sie in der Realität des Alltags sehen und erleben möchte.